Die wegen der Corona-Pandemie ausgesetzte Fußballsaison 2019/20 soll für die Amateure ab der Oberliga bis in die Kreisklassen ab dem 1. September fortgesetzt werden, wenn die Politik bis dahin grünes Licht für Fußballspiele gibt, vermeldete das Online-Portal Fupa bereits am Sonnabend.
In einer Videokonferenz kam der Niedersächsische Fußball-Verband (NFV) mit seinen Kreisvorständen offenbar zu diesem Ergebnis. Dies soll auch für die Frauenmannschaften und in der Jugend gelten. Ein Abbruch der Saison möchte der NFV unbedingt vermeiden. Eine endgültige Entscheidung will der Verband demnach Mitte der Woche fällen. Bis dahin holt sich der NFV über seine Kreise ein Meinungsbild bei den Vereinen ein.
Auch eine weitere Verschiebung der Saison steht offenbar im Raum. Wären die Plätze im Herbst unbespielbar, steht die kommende Saison komplett auf der Kippe und dürfte damit ausfallen, schreibt Fupa weiter.
Jürgen Stebani vom Verbandsspielausschuss sagte bei az-online: „Die Saison wird nicht abgebrochen, sie ist unterbrochen. Es ist der Wunsch der Vereine, die Saison irgendwie zu Ende zu bringen.“
Einen Saisonabbruch sieht die Spielordnung offenbar nicht vor und hätte womöglich rechtliche Schritte einiger Vereine zur Folge. Niedersachsen orientiert sich bei seiner Entscheidung womöglich am Beschluss des Bayrischen Verbandes (BFV), der zuvor die Saison bis zum 31. August ausgesetzt hatte.
Keine sportlich faire Lösung im Falle eines Saisonabbruchs
Auf der Internetseite des BFV wird DFB-Vizepräsident Rainer Koch zitiert: „Wir wollen keine Geisterspiele, wir wollen keine juristischen Streitigkeiten, wir wollen den fairen Wettbewerb und Entscheidungen auf dem Platz – nicht am grünen Tisch. Da aktuell aber niemand mit Gewissheit sagen kann, ob tatsächlich ab dem 1. September 2020 wieder gespielt werden kann, brauchen wir aber gleichzeitig eine Lösung mit größtmöglicher Flexibilität. Für den BFV gibt es genau aus diesem Grund auch keine Alternative zum Vorschlag, die aktuelle Saison in jedem Fall zu Ende zu spielen, sobald das wieder möglich ist.“
Weiter befürchtet Koch Klagen der Vereine: „Noch viel weitreichender wäre aber wohl die Frage, wie im Falle eines Abbruches die sportliche Wertung vorzunehmen ist. Hierfür gibt es keine rechtlich einwandfreie und schon gar nicht sportlich faire Lösung. Das wird zudem auch Klagen nach sich ziehen. Niemand kann einem Tabellenzweiten nachweisen, dass er selbst einen rein theoretischen Rückstand nicht noch aufgeholt hätte. Das haben wir im Fußball alles schon Tausende Male erlebt. Gleiches gilt für die Abstiegsfrage.“
NFV will sich ein Meinungsbild verschaffen
Der NFV holt sich in den nächsten Tagen ein Votum seiner Fußballkreise ein. Der Verband will sich an der Basis und in den Vereinen ein Meinungsbild verschaffen. Dies bestätigte der Sprecher des NFV, Manfred Finger, am Sonnabend auf TAGEBLATT-Nachfrage. Das Meinungsbild sei dann die Basis für eine Beschlussfassung. Viel Zeit bleibt dafür aber nicht. Bis Mitte der Woche die Befragung der Vereine durch die Kreisverbände abgeschlossen zu haben, ist ein ambitioniertes Vorhaben.
Der Brandenburgische Verband beispielsweise hat eine ähnliche Befragung bereits initiiert. Die Rücklaufquote soll dabei bei 72 Prozent gelegen haben. 60 Prozent der Befragten sollen sich gegen eine Fortsetzung der Saison ausgesprochen haben. Eine ähnliche Abstimmung in Niedersachsen würde die Entscheidung der Kreisvorstände im Rahmen der jüngsten Videokonferenz konterkarieren. Allerdings ist dieses Ergebnis auch nicht besonders überraschend. Schließlich hat die breite Masse der Mannschaften mit Aufstiegen oder Abstiegen nichts zu tun.
Mayntz bevorzugt „sauberen Schnitt“
Die Meinungen der Vereinsverantwortlichen sind sehr konträr
LANDKREIS. Der Niedersächsische Fußball-Verband möchte die Saison am liebsten im September fortführen, möchte bei der Lösungsfindung aber auch die Basis mit einbeziehen. Bei den Vereinen gibt es klare Meinungen und die gehen teilweise stark auseinander. Ein kleiner Querschnitt.
Lars Jagemann, Trainer des Fußball-Landesligisten SV Drochtersen/Assel II: „Grundsätzlich finde ich eine Fortsetzung der Saison nicht verkehrt. Jeder möchte schließlich das beenden, was er angefangen hat.“ Jeder Fußballer stecke sich Ziele. Deshalb wäre eine Fortsetzung gerecht. „Es gibt ja auch Härtefälle, wie den ASC Cranz-Estebrügge oder den TSV Elstorf, die seit Jahren auf einen Aufstieg hinarbeiten“, sagt Jagemann. Außerdem sei das Modell recht flexibel. Wenn es nicht am 1. September weitergeht, dann am 1. Oktober oder im März 2021. „Gleichwohl gibt es aber noch viele ungeklärte Fragen.“
Carsten Schult von der SV Ahlerstedt/Ottendorf: „Ich bin ganz klar für einen Abbruch. Das wird auch die Stellungnahme sein, die der erweiterte Vorstand der SV A/O an den Verband weitergeben wird. Wir würden dann auch jedwede Auf- und Abstiegsregelung akzeptieren. Nicht akzeptieren werden wir den Vorschlag des Niedersächsischen Fußballverbandes. Ich bin erschrocken darüber, dass die Kreise nicht befragt wurden“, sagt Schult. Die Entscheidung sei Knall auf Fall gekommen. Der Amateurfußball müsse sich dagegen erheben. Die Ungewissheit sei nicht schön für die Vereine. „Der Verband lässt uns mit vielen unbeantworteten Fragen allein.“
Rigo Gooßen, Präsident der SV Drochtersen/Assel: „Ich finde den Plan so schlecht nicht. Die Chance, am 1. September weiterzuspielen, ist für die Vereine, die noch von Auf- oder Abstieg betroffen sind, die gerechteste Lösung. Uns persönlich trifft es ja nicht, weil wir in den Tabellen gut dastehen“, so Gooßen. Außerdem versuche der Verband, Klagen zu vermeiden. „Es gibt aber keine optimale Lösung, jedenfalls keine, mit der alle Vereine zufrieden sein können.“
Dirk Dammann, Teammanager des VfL Güldenstern Stade: „Egal, was für eine Entscheidung getroffen wird. Es wird schwierig. Ein Abbruch wäre das Schwierigste, weil schließlich nicht auf sportliche Weise über Auf- und Abstieg entschieden wird“, sagt Dammann. Viele Problematiken fließen da aber mit ein. Wechselfristen, laufende Verträge, Trainerwechsel. Es gäbe keine Pauschallösung. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir im September wieder loslegen können. Werden bis dahin die Anlagen zur Vorbereitung wieder freigegeben? Gut ist, dass wir jetzt wieder ein Datum haben, ein Ziel vor Augen. Aber auch das kann sich ja jederzeit wieder ändern.“ Letztlich sei es egal, welche Entscheidung getroffen wird. Aber diese Entscheidung müsse einheitlich sein. „Alle Verbände, alle Bundesländer müssen eine einheitliche Lösung finden, sonst wird es konfus und das ganze Kartenhaus fällt in sich zusammen“, sagt der Ex-Profi.
Tim Schnoor, Teammanager vom Landesligisten TuS Harsefeld: „Ich habe schon mit ganz vielen telefoniert und wir sind alle auf einer Wellenlänge. Das macht alles viel zu viele Probleme. Das macht gleich zwei Saisons kaputt.“ Er habe eigentlich von Anfang an gedacht, dass alles auf einen Abbruch hinauslaufen würde, und dann wäre die immer noch fairste Lösung, wenn es Aufsteiger gibt aber keine Absteiger. „Aber natürlich sehe ich auch die Haftungsproblematik, die garantiert kommen würde“, sagt Schnoor. Für den TuS Harsefeld bestehe zudem das Problem, dass der Landesligist bei einer Fortsetzung der Saison gar nicht mehr dieselbe Mannschaft aufbieten könnte, weil Leistungsträger wie Leandro Dittmer und Stefan Forthaus aus beruflichen Gründen beim Tabellendritten im Sommer aufhören.
René Klawon, Trainer des Bezirksligisten TSV Eintracht Immenbeck: „Ich finde, dass das die fairste Lösung ist. Ein Abbruch wäre ganz bitter“, sagt der Trainer des derzeitigen Tabellenachten. Die Tabelle nach jetzigen Stand zu werten, funktioniere auch nicht, da zum Beispiel in der Bezirksliga Lüneburg 4 der Zweite TSV Apensen nur drei Punkte hinter Tabellenführer ASC Cranz-Estebrügge stehe. „Ich hoffe wirklich, dass wir im September wieder anfangen können und die Saison in diesem Jahr dann noch durchziehen können.“ Natürlich werde die kommende Saison dadurch stark belastet, da müsse dann eine neue Lösung gefunden werden. „Ich hätte aber auch nichts dagegen, dann einfach mal nur eine Halbserie zu spielen, da kann sich auch jeder Verein drauf einstellen.“
Björn Stobbe, Trainer des Bezirksligisten TSV Apensen: „Ich kann mich mit dieser Idee gar nicht anfreunden. Ich tendiere eher dahin, alles auf Null zu setzen“, sagt der Trainer des Tabellenzweiten. Stobbe sieht zu viele Unregelmäßigkeiten, die Vereine könnten überhaupt nicht planen. „Alles ist verzerrt, so werden gleich mehrere Saisons kaputt gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen eine Saison erst im September weiterzuspielen, wobei es dann immer noch so viele Fragezeichen gibt.“ Sollte es aber tatsächlich dazu kommen, dass der Fußball aufgrund der Corona-Entwicklungen erst im nächsten Jahr wieder rollen kann – dann könnte Stobbe sich sofort damit anfreunden, die jetzige Saison dann noch zu Ende zu spielen, und dann eine saubere Saison 2021/22 mit richtigen Auf- und Absteigern zu starten.
Daniel Schröder, Trainer des Bezirksligisten ASC Cranz-Estebrügge: „Wir wollen unsere gesteckten Ziele sportlich erreichen – und deshalb finde ich diese Lösung besser, als die Saison abzubrechen“, sagt der Trainer des Tabellenführers, der in die Landesliga aufsteigen will. „Das einzige Katastrophen-Szenario wäre für uns aber, wenn die Saison annulliert wird und wir für alles umsonst gearbeitet haben.“ Insgesamt gäbe es in der derzeitigen Corona-Krise einfach viel zu viele unbeantwortete Fragen, findet Schröder, keiner wisse, ob es im September überhaupt wieder losgehen kann, also eine Saison 2020/21 überhaupt regulär verlaufen könnte. „Eine sportliche Lösung ist immer die Beste. Entscheidungen am grünen Tisch mag ich nicht.“
Hartmut Mattfeldt, Trainer des Bezirksligisten TSV Elstorf: „Das ist absolut die fairste Lösung. Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, weiterzuspielen und die sportlich fairste Lösung anzustreben“, sagt der Trainer des Tabellenführers in der Bezirksliga Lüneburg 2, der sieben Punkte Vorsprung hat und dabei ein Spiel weniger als der Zweite. „Wir wollen nach der bisher tollen Saison natürlich aufsteigen.“ Mattfeldt sagt, er sei positiv überrascht, er hatte mit einem Abbruch als „einfachste Lösung“ gerechnet. „Alle Argumente von DFB-Vizepräsident Rainer Koch sind richtig“, sagt Mattfeldt, der bei einem Abbruch oder einer Annullierung ebenso von einer Klagewelle ausgeht. Gleichzeitig ist Mattfeldt gespannt, wie der Verband mit dem Ergebnis der Umfrage unter den Vereinen umgeht. „Es wird ganz sicher eine 70:30-Entscheidung für den Abbruch geben.“