AHLERSTEDT. Der Niedersächsische Fußballverband feiert 50 Jahre Frauen- und Mädchenfußball. Doch bis es dazu kam, war es ein weiter Weg. So auch bei der SV Ahlerstedt/Ottendorf. Die erste Frauenmannschaft im Jahr 1981 hatte mit Vorurteilen zu kämpfen.
Die Spielvereinigung Ahlerstedt/Ottendorf hat in dieser Saison erstmals eine fünfte Frauenmannschaft gemeldet. Vor knapp 40 Jahren jedoch sah es noch anders aus: „Die Frauen wurden damals von allen bestenfalls belächelt“, erinnert sich der heutige Obmann im Frauenfußball, Bernd Stelling.
Schon vor der offiziellen Eingliederung in den Verein traf sich auf dem Ottendorfer Sportplatz eine Gruppe Mädchen, um gemeinsam zu kicken. Die Dörfer der Region spielten gegeneinander – es hieß Ottendorf gegen Oersdorf. Weil immer mehr Mädchen Gefallen an den regelmäßigen Fußballtreffen fanden, initiierte Klaus Eckhoff aus Ottendorf, bei A/O eine Mannschaft zu melden – und sie zu trainieren.
Dabei ging es zunächst einmal um eine Mädchenmannschaft. In der kamen fortan Spielerinnen jeden Alters der umliegenden Gemeinden zusammen. „Damals gab es noch keine Unterteilung, es spielten siebenjährige Mädchen mit 13-Jährigen zusammen“, sagt Stelling. Das stellte A/O schon kurz darauf vor ein Problem: Einige der Spielerinnen waren schnell zu alt für den Jugendfußball – eine Frauenmannschaft wurde gegründet.
Viel Gelächter zum Start
Als Bernd Stelling die Mannschaft bei der SV A/O schließlich 1985 hauptamtlich übernahm, gab es vor allem eins: viel Gelächter. Stelling weiß aus eigener Erfahrung, welchen schweren Stand der Frauenfußball damals hatte. „Ich weiß nicht, wie oft ich die Frage gehört habe, ob ich dann hinterher auch mit duschen würde.“ Bei einem Bericht über ein eigenes Hallenturnier der Frauen verarbeitete die Zeitung „Auf der Geest“ sogar einen Spruch in der Überschrift, der das Wort „Busen“ beinhaltete. Doch Bernd Stelling wusste zumindest den Vorstand des Vereins hinter sich – auch wenn es den ein oder anderen Herrentrainer gegeben habe, der die Abteilung als reine Geldverschwendung ansah.
Eines der Mädchen, das schon vor Mannschaftsgründung in Ottendorf kickte, war Sabine Klintworth. Sie kann sich gut an die Anfänge bei A/O erinnern. Während die jüngeren Fußballer dem Projekt offen gegenüber standen, waren es vor allem die Älteren, die die neue Mannschaft im Verein nicht ernst nahmen. „De Deerns speelt jo nu ook“, hätte sie damals eher abfällig zu hören bekommen.
Bald stellte A/O einen soliden Stamm an Frauenspielerinnen im Verein. Und schnell wurde klar, dass es dafür langfristig einen Unterbau im Jugendbereich brauchte. „Wir sind dann an jede Haustür gegangen, haben geklingelt und die Mädchen gefragt, ob sie nicht Lust auf Fußball hätten“, sagt die damalige Frauenspielerin Sabine Klintworth. Irgendwann sei es ein Selbstläufer geworden.
Eine rasante Entwicklung
Klintworth blieb dem Verein lange treu: Bis 1995 spielte sie selbst in der ersten Damenmannschaft, war anschließend Betreuerin, Kassenwartin des Vereins, trainierte Mädchenmannschaften und war in der Ü 30-Frauenmannschaft aktiv. Noch heute treffen sich die Fußballerinnen von früher regelmäßig.
Dass A/O im Frauenfußball auf die familiären Verhältnisse bauen kann, zeigt das Beispiel der Familie Klinworth. Bernd Stelling, einst Sabines Trainer in den Anfängen der Abteilung, trainierte später auch ihre Töchter Manon und Eva. Beide spielen heute in den Frauenmannschaften des Vereins.
Die über 30 Jahre im Frauenfußball zeigen Stelling, wie rasant die Entwicklung ging. Im niedersächsischen Fußball erreichten die Mannschaften schnell Akzeptanz, auch in den eigenen Reihen „hatten die Gegner irgendwann keine Argumente mehr“, so Stelling. Das Niveau wuchs: Während die meisten Spielerinnen heute schon im Kindesalter regelmäßig trainieren, traten früher die Frauen manchmal erst mit 25 gegen den Ball. „Und da lernt man nicht mehr so viel“, sagt Stelling.
Dass der Frauenfußball heute, 50 Jahre nach der ersten Mannschaft in Niedersachsen, noch immer nicht in allen Vereinen angekommen ist, sei nach Meinung von Stelling eine Frage des Kümmerns. Und sicher gebe es, ohne es nach außen zu tragen, in manchen Vereinen noch Vorstände, die sagten: „Geh mir weg mit Frauenfußball“, so der A/O-Frauenobmann.
Angeblich verschwand beim Frauenfußball die weibliche Anmut
Mitte der Fünfzigerjahre verbot der Deutsche Fußballbund (DFB) seinen Vereinen, Frauenabteilungen zu gründen oder Frauen Sportplätze zur Verfügung zu stellen. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zuschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, so der DFB damals. Dennoch entwickelte sich ein „wilder Spielbetrieb“ in den Sechzigern.
Die Fußballerinnen gründeten selber Vereine, organisierten Länderspiele, kickten auf Kuhweiden. Bis zu 60 000 Mädchen und Frauen sollen außerhalb des DFB Fußball gespielt haben. 1970 sah sich der Verband gezwungen, sich des Themas Frauenfußball anzunehmen, denn er befürchtete, die Frauen könnten einen eigenen Verband gründen. 1970 hob der DFB das Spielverbot für Frauenmannschaften schließlich auf. In Niedersachsen gründeten sich die ersten Teams. Die Frauen hatten jedoch einen schweren Stand in den von Männern dominierten Vereinen; es wurden immer wieder Mannschaften aufgelöst.
Anfangs gab es sogar noch diskriminierende Vorschriften, etwa eine verkürzte Spielzeit, ein leichterer Ball oder Noppen-Schuhe statt Stollen. Auch wurde überlegt, das Handspiel zu erlauben – das konnte sich nicht durchsetzen. 1971 registrierte der Niedersächsische Fußballverband 146 Frauen- (13.220 Mitglieder) und 52 Mädchenmannschaften (6759). Und es wurden mehr. 1981 – als es das erste Frauenteam bei A/O gab – waren es 400 Frauen- (19.181) und 194 Mädchenmannschaften (9794) in Niedersachsen. (Quelle: NFV)
Quelle: Stader Tageblatt / von Sophia Ahrens