Niklas Nissen liegt rücklings auf einer der neuen Zuschauerbänke neben dem Rasenplatz in Ottendorf. Dunkelblaue A/O-Kluft, schwarze Tennissocken, Badelatschen. Die Modezeitschrift „Vogue“ hatte die einst verpönte Adiletten/Socken-Kombination zum Trend des vergangenen Jahres gekürt. Nissen liegt also im Trend. Er döst so kurz vor dem Interviewtermin mit dem anschließenden Training ein wenig in der Sonne. Dann, im Gespräch, gibt er sich locker und gelöst, aber schlagfertig, kompetent und motiviert. „Smart und sexy“ halt. So will Nissen auch die Grundstimmung im Verein verstanden wissen. Nur so sei A/O auch ein Verein der Zukunft.
Vor einem Dreivierteljahr kam die erste vorsichtige Anfrage von Vereinschef Thorsten Meyer, ob Nissen es sich vorstellen könne, seinen Posten zu übernehmen. Nissen fand das irgendwie noch zu früh, damals mit 25 Jahren. Aber Meyer blieb hartnäckig und bohrte weiter. Im Laufe der Monate, sagt Nissen, habe er sich die Sache „sehr gut überlegt“ und schließlich Ja gesagt. Mit jetzt 26 Jahren gilt Niklas Nissen weit und breit als der jüngste Vereinsvorsitzende eines so populären Clubs wie A/O.
Seit 22 Jahren bei A/O
Niklas Nissen lebt den Verein. Schließlich ist er seit 22 Jahren bei A/O organisiert. Ein halbes Jahr spielte er zwischendurch mal für den damals neu gegründeten VfL Güldenstern Stade. Aber das müsse nicht in den Artikel, sagt Nissen augenzwinkernd. A/O sei eine Herzensangelegenheit. „Ich konnte mir immer vorstellen, mehr Verantwortung in diesem Verein zu übernehmen. Ich mag Verantwortung und ich mag organisieren und mitgestalten“, sagt Nissen. Als Vizekapitän der ersten Mannschaft in der Landesliga kümmerte er sich immer schon um die Klamotten oder die Team-Events. Er verpflichtete sogar mal einen Spieler.
Auf der Internetseite der SV A/O steht hinter dem 1. Vorsitzenden noch der Name Thorsten Meyer. So ganz daran gewöhnen kann sich der Verein offenbar noch nicht an den neuen Namen. Meyer arbeitete 30 Jahre lang im Vorstand. In den vergangenen 18 Jahren führte er die Geschicke des Clubs von der Spitze aus. „Es war Zeit für mich“, sagt Meyer. Er habe sich zuletzt ein wenig betriebsblind gefühlt. „Für die neue Generation bin ich schon ein bisschen weit weg“, sagt Meyer, gerade mal 55 Jahre alt.
Ein Jahr lang einarbeiten – denn der Verein ist nicht gerade klein
Die Vereinsmitglieder wählten Meyer allerdings zum zweiten Vorsitzenden. Genau so hatten es die alten und neuen Protagonisten bei den Sondierungsgesprächen im Vorfeld der Vorstandswahl geplant. Meyer nimmt Nissen erst mal ein Jahr lang an die Hand. Der Verein ist nicht gerade klein. In fünf Damen- und fünf Herrenmannschaften und im Umfeld dieser Teams sind ungefähr 470 Menschen organisiert. Hinzu kommt die Jugendkooperation mit dem Heeslinger SC. „Thorsten hinterlässt sehr große Fußstapfen“, sagt Nissen. Er habe den Verein über Jahrzehnte geprägt. Und er hinterlasse einen „super funktionierenden Verein, mit vielen tollen Menschen und Strukturen“. „Ich werde hier nichts umkrempeln“, sagt Nissen.
A/O sei auch in der Vergangenheit immer ein positiver Verein gewesen und nie in Schlagzeilen geraten. Nissens Vorgänger haben einiges richtig gemacht. Dass nicht nur die erste Mannschaft der Herren im Fokus steht, gilt bei A/O als Gesetz. Der Verein schaffte es in den vergangenen Jahren, dass Spielerinnen und Spieler das halbe Wochenende auf den Sportplätzen verbringen. Bei ihren eigenen Spielen und denen der anderen Mannschaften. Das schweißt zusammen.
Vision: ein eigenes Vereinsheim
Thorsten Meyer wird die von ihm angekurbelten Projekte bis zur Realisierung weiter begleiten. Den Bau des neuen Kunstrasenplatzes oder den Ausbau der Umkleidekabinen zum Beispiel. Nissen verfolgt zudem eine Vision, für die es auch schon Pläne in der Schublade gibt. „Ein eigenes Vereinsheim wäre schön“, sagt Nissen. Mit Kabinen, Besprechungsräumen, Theke. Bislang müssen die Fußballer ihr Bierchen nach dem Training immer in oder vor der Kabine trinken. In diesem Vereinsheim, liebäugelt Nissen, könnten sich die Leute dann auch zum e-Sports treffen. Ein boomender Trend weltweit, für den die SV Ahlerstedt/Ottendorf noch keine Sparte hat. Noch nicht.
Niklas Nissen profitiert als neuer Vorsitzender des Vereins von seinen Erfahrungen im Berufsleben. Der 26-Jährige, der in Bargstedt aufgewachsen ist und heute in Harsefeld lebt, agiert als Vertriebsleiter eines Speditions- und Logistikunternehmens in Sittensen-Lengenbostel. Nissen zeichnet verantwortlich für alles Flüssige, was in einen Tankwagen passt. Er optimiert die Abläufe und Strukturen und entwickelt kurz- und langfristige Ziele für seinen Arbeitgeber. Ein Logistikstudium hatte Nissen an der Abendschule gemacht. Er muss nur noch seine Bachelor-Arbeit abgeben.
Alle Posten im Verein doppelt besetzen
Einstimmig wählten ihn die Vereinsmitglieder während der Jahreshauptversammlung per Handzeichen. Am nächsten Tag habe er viel Zuspruch erhalten von den Leuten. Anrufe kamen rein, Kurznachrichten. Offiziell gibt es niemanden, der ihm den Posten nicht zutraut. Schon ein paar Tage vor der Jahreshauptversammlung holte sich Nissen in der Familie und bei Freunden Ratschläge, oder besser ein Meinungsbild, ob er wirklich der Richtige für den Posten sei. Ist er, sagen die anderen.
Thorsten Meyer erzählte seinem Nachfolger, dass der Job drei bis fünf Stunden Zeit in der Woche braucht. Nissen sagt, er tendiere eher zu sieben bis zehn. „Jetzt sowieso, weil ich viel lernen muss.“ Einmal pro Woche treffen sich Nissen und Meyer zum Austausch. Eines sei ihm heute schon völlig klar. „Ich werde nicht Mädchen für alles“, sagt Nissen. Er plant, alle Aufgaben im Verein personell doppelt zu besetzen, damit A/O bei kurzfristigen Ausfällen schnell reagieren kann. Früher war es immer Thorsten Meyer, der noch schnell das Toilettenpapier besorgt hatte, wenn an einem Spieltag im Stadion Am Auetal welches fehlte.
Ehrenamtliche schwer zu finden
Am Montag feiert Niklas Nissen den ersten offiziellen Auftritt nach der gewonnenen Wahl zum Vereinschef. Der Vorstand tagt intern. Er bespricht Interna und laufende Projekte. Es ist nicht so, dass Nissen an diesem Abend unruhig und aufgeregt auf seinem Stuhl herumrutschen wird. Schnell kapieren kann er, Reden halten auch. Das lernte er in der Mannschaft, im Studium und bei der Arbeit. „Aber es wird bestimmt erst mal ungewohnt, wenn ich nächstes Jahr vor 50 Menschen die Jahreshauptversammlung eröffnen muss“, sagt Nissen.
Vielleicht stellten die Erfahrenen den 26-jährigen Nissen auch ein wenig aus Kalkül in die erste Reihe. Ehrenamtlich Engagierte sind in diesen Zeiten schwer zu kriegen. Und wenn jetzt einer mit jugendlichem Esprit an der Spitze sitzt, folgen ihm womöglich die Jüngeren. „Smart und sexy“ in die Zukunft eben.
Quelle: Stader Tageblatt